Klaus W. Eisenlohr

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Praças do Sul do Brasil

Der Süden Brasiliens zeichnet sich durch Unterschiede in Geographie, sowie ländlicher und städtischer Kultur aus, deren Variationen sich auf relativ kurze Distanz zeigen. Auf mehreren Reisen wurde die analoge Mittelformat-Panoramakamera zum Mittel, den Süden Brasiliens in Nachtaufnahmen zu erkunden. Dabei entstanden tagsüber auch Digitalaufnahmen im Hochformat.

Die Konzentration auf Stadtplätze gibt dem europäischen Betrachter zunächst Gelegenheit, lesbare Konstellationen des Urbanen zu finden, ohne der Erwartung nach Exotischem nachzugehen. Zugleich entstand ein Projekt, das eine große Nähe zu den vorhergehenden Fotoprojekten „Familiar Spaces“ in Poznan, Helsinki und Hannover hat, auch wenn die Voraussetzungen hier ganz andere gewesen sind. Ging es bei jenen Projekten um die Bedingungen des öffentlichen Raumes in europäischen Städten mittels einer handlichen Kleinbild-Panoramakamera, so ist dieses Projekt eine Annäherung an Plätze im Süden Brasiliens mit der verlangsamten Auffassung der größeren Mittelformat-Kamera auf Stativ. Zugleich bestätigte sich, dass das Thema Gelegenheit gab, etwas zu unternehmen, das auch für Brasilianer in Rio Grande do Sul von Interesse sein könnte. Trotz der zunehmenden Beliebtheit des Südens auch für innerbrasilianische Touristen, werden Stadtplätze kaum als Orte des Interesses wahrgenommen.

Bei dem Projekt, das von der Künstlerin und Professorin Elaine Tedesco tatkräftig unterstützt wurde, war die Erfahrung der Entschleunigung und Konzentration durch die Bedingtheiten der analogen Kameraaufnahme ebenso wichtig wie die fotografischen Ergebnisse. Bei Verschlusszeiten von 15 bis 30 Minuten waren nicht mehr als drei oder vier Panoramaaufnahmen in einer Nacht möglich. Dabei wurde sehr schnell die allgegenwärtige Angst vor kriminellen Handlungen als Bedingtheit des öffentlichen Raumes in Brasilien zum Thema. Eine Furcht, die sich nach Einbruch der Dunkelheit auch noch stündlich steigert. Obwohl im Süden von Brasilien weniger organisierte Banden ihr Unwesen treiben als im Nordosten oder in den großen Städten, ist die Angst überfallen zu werden doch allgegenwärtig. Eine administrative Reaktion auf diese Angst ist die fast lückenlose Lichtdurchflutung der Straßen, Plätze und Parks in Brasilien. Eine anderes Thema, das sich aufdrängte, ist die jüngste Stadtmöblierung und die Gestaltung durch die neuen Sport- und Fitnessinstallationen im Stadtraum, die industrielle Massenherstellung mit lokalpolitischem Engagement verbinden. Diese zum Teil futuristisch anmutenden Gestaltungselemente treffen oft auf ältere Formgebungen aus Zeiten, in denen patriotische oder religiöse Gesinnung das Platzdesign bestimmte. Die historischen Plätze aus portugiesischer Kolonialzeit sind dagegen oft eher abseits, werden mit wenigen und improvisierten Mitteln gepflegt und die dazugehörigen Wohnhäuser sind oft weniger gesichert als in anderen Stadtgebieten.

Ziel der fotografischen Arbeit war es jedoch nicht, solche „Erkenntnisse“ zu dokumentieren, sondern war eine künstlerische und bildgestalterische Umsetzung. Die Verfremdung oder Verrückung durch Licht, Komposition und Blickwinkel will die Offenheit der Interpretation erreichen, will anregen, selbst als Betrachter mit eigenem Blick zu sehen und zu lesen.

Kontakt

www.kw-eisenlohr.de