Alles anders?
„StadtWandel – Alles anders?“, zeigt Bilder des Corona-Jahres 2020. Die Fotografi:nnen nähern sich dabei auf ganz unterschiedliche Weise dem radikal veränderten Alltag und verarbeiten das eigene Erleben in eindrucksvollen Fotoreportagen.
Lars Bauer | Anna Fraire | Björn Hoffmann | Karin Kutter | Marco Leßner | Susana Villares Lopez | Sarah Wiltschek
Künstlerische Leitung: Ann-Christine Jansson
Ausstellung ab Freitag, 19. März – 30. April 2021
FOTOGALERIE Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin Di-Sa 14-18 Uhr, Do 10-20 Uhr.
Um Anmeldung wird gebeten Tel: 030-29616 84 10-18 Uhr. Es gilt eine eingeschränkte Personenzahl sowie Mund-Nasen-Bedeckung und Hygiene- und Abstandsregeln.
Auf der Website der Reportageklasse (https://www.stadt-wandel.de/) kannst du mehr über die teilnehmenden Fotograf/innen erfahren und den digitalen Katalog durchblättern. Die Fotograf/innen freuen sich auch über ein kurzes Feedback.
Foto: Lars Bauer, aus: “Cinema Corona”
Statement der Reportageklasse 2020
Die Corona-Pandemie und der Lockdown im Frühjahr 2020 ließen das Leben in den Städten weltweit erfrieren. Auch die sonst zu jeder Tages- und Nachtzeit von Menschen und Leben erfüllte deutsche Hauptstadt bot auf einmal ein schrecklich schönes Schauspiel der absoluten Leere und hinterließ ungeahnte Szenen des Nicht-Seins. Seit vielen Jahrzehnten hat kaum etwas Berlin so verändert wie das Auftauchen des unbekannten Virus. Die Stadt wirkte wie eine Kulisse ohne Darsteller, wie ein Museum ohne Besucher. Dabei erschuf die Zeit des Innehaltens einzigartige kontemplative Momente und eröffnete die Möglichkeit darüber nachzudenken: Wie wollen wir leben? Was und in welcher Art wollen wir arbeiten? Wie wollen wir miteinander und mit unserer Umwelt umgehen?
Dann kam der Sommer, der sich anfühlte, als sei das Gröbste überstanden, die Maskenpflicht und im Herbst erneut die (Teil)-Shutdowns, die bei vielen ein Gefühl von großer Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit und Wut hervorriefen.
Ursprünglich wollten wir Reportagen zeigen über eine Hauptstadt, die sich aufgrund steigender Mieten, Verdrängung und Wohnungsnot sowohl architektonisch, als auch sozial rasant verändert. Durch Covid-19 wurde unser Arbeitstitel “Stadt im Wandel” jedoch schlagartig programmatisch und betraf die ganze Welt. Die sozialen Auswirkungen wurden durch Kurzarbeit, drohende Arbeitslosigkeit und beengte Wohnverhältnisse zunehmend existentiell.
Unsere geplanten Reportagen, in denen wir Menschen in ihren persönlichen Lebensräumen begleiten wollten, konnten wir durch die Coronamaßnahmen nicht weiterverfolgen. Also haben wir das dokumentiert, was uns alle umgab: die Pandemie und ihre teils drastischen Auswirkungen auf das private, öffentliche und berufliche Leben.
Entstanden sind Dokumentationen, die in ihren formalen Voraussetzungen selbst Teil der Pandemie sind: auf Abstand oder ganz privat, hinter Absperrgittern, mit Masken und meist an der frischen Luft.
Unsere Arbeiten zeigen Geschichten über Berliner Kinos und darüber wie existentiell gerade die Kulturlandschaft durch die Coronamaßnahmen getroffen wurde. Bilder, wie sich Berlin durch Markierungslinien, Hinweisschilder und menschenleere Plätze selbst in seiner Architektur verändert hat. Portraits von Menschen mit Masken, die so plötzlich zu unserem Alltag gehören und dadurch die Wahrnehmung unserer Gesichter unweigerlich verändern. Reportagen, die von der Unsicherheit und Einsamkeit erzählen und vom erzwungenen Rückzug ins Private. Bilder, die eindrücklich den schmerzhaften Verlust widerspiegeln, den das Fehlen sozialer Kontakte hinterlässt. Geschichten von der Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit des Virus und der Ambivalenz von Abstands- und Hygieneregeln, etwa auf dem Land. Und von sogenannten Risikogruppen, die die Möglichkeit von sozialer Ausgrenzung oder solidarischer Rücksichtnahme thematisieren. Eine Reportage über eine Familie, die in Berlin ihre neue Heimat gefunden hat und dankbar ist, in Pandemiezeiten hier zu leben und nicht im syrischen Damaskus. Und schließlich Bilder von Menschen, die ihr Leben ans offene Fenster und auf ihre Balkone verlagern, um wenigstens auf diese Weise ein soziales „Wir“ zu schaffen, inmitten eines Lockdowns und strenger Kontaktbeschränkungen.
Wir, die Reportagefotoklasse 2020 von der Fotojournalistin Ann-Christine Jansson am Photocentrum in Berlin-Kreuzberg, starteten mit über 20 Teilnehmer*innen, jedoch zeigte sich im Verlauf der Pandemie, dass nicht alle bis zum Ende durchhalten würden. Eine Reportage über etwas anzufertigen, das einen selbst betrifft und belastet, war für viele nicht einfach. Uns fehlte das Sinnliche und Haptische und hauptsächlich der persönliche Kontakt, denn seit dem ersten Lockdown fanden alle unsere Treffen, die Bildauswahl, die Gestaltung des Kataloges und die Ausstellungsvorbereitung nur noch virtuell statt.