Sylvia Zirden

… der Welt abhanden gekommen …

In Maiernigg am Wörthersee befindet sich in den Jahren 1901–1907 die Sommerresidenz des Komponisten Gustav Mahler mitsamt einem kleinen „Komponierhäuschen“ am waldigen Hang hinter der Villa. Dort, in der Stille der Natur, wo nichts als Naturlaute zu hören sind und niemand ihn beim Komponieren belauscht, findet Mahler die Schaffensbedingungen, die er sich wünscht.

Zu Fuß und mit dem Fahrrad durchstreift er die umliegenden Wälder und Berge, „um in einer Art keckem Raub meine Entwürfe davonzutragen“, wie er rückblickend in einem Brief an Bruno Walter schreibt. „An den Schreibtisch trat ich nur …, um meine Skizzen in Form zu bringen“. Dabei empfindet er sich selber als „Instrument, auf dem das Universum spielt“, und in Maiernigg ist es vor allem „der Wald mit seinen Wundern und seinem Grauen, der mich bestimmt und in meine Tonwelt hineinwebt. Ich sehe immer mehr: man komponiert nicht, man wird komponiert!“.

Mahler versteht Musik als klingendes Abbild der Welt – vermittelt über Empfindungen und Vorstellungen, denn „unser Gemüt“ ist für ihn die „einzig wahre Realität auf Erden“. Die in der Abgeschiedenheit von Maiernigg entstandenen Sinfonien und Lieder sind daher immer auch Reflexionen seiner Naturerfahrung und ‑erfülltheit, während sie gleichzeitig höchst artifizielle, durchkomponierte Werke darstellen und ohne romantische Naturseligkeit oder Programmatik auskommen.

Mahlers Eindrücken und Erfahrungen in und um Maiernigg spüren meine Cyanotopien nach. Sie versuchen die Stimmungen einzufangen, in denen sich dieser moderne Romantiker während der Sommermonate bewegte, seiner alljährlichen Zeit des „Tondichtens“.

Über die Fotografin

Sylvia Zirden hat in München und Berlin Philosophie und Literaturwissenschaft studiert, ihre kunsttheoretische Dissertation Theorie des Neuen erschien im Jahr 2005. Die Fotokamera begleitet sie seit vielen Jahren, eine systematische Ausbildung erhielt sie am Photocentrum in Berlin.

www.sylvia-zirden.de

Lana Tavits

Eine Herbstsymphonie

Diese Arbeit bezieht sich auf das umfangreiche Werk des österreichischen Komponisten Joseph Marx aus dem Jahr 1921. Er gilt als impressionistischer Romantiker mit einer Affinität zur Mystik. Ziel meiner Arbeit war es, den Kompositionsstil von Marx photographisch nachzuahmen und die Stimmungen wiederzugeben, die uns Menschen im Herbst anwehen. Den unterschiedlichen Tonarten in den vier Sätzen des Werkes folgend, habe ich sowohl in Moll als auch in Dur fotografiert.

Die Arbeit beginnt mit der Serie „ein Herbstgesang“. Sie hat einen bewegten Charakter und wird in Moll dargestellt. Ihr folgt ein Satz in Dur, welcher „Tanz der Mittagsgeister“, genannt wird. So wie die Musik, ist diese Serie sehr lebhaft. Der dritte Satz trägt den Titel „Herbstgedanken“, er wird ebenfalls in Dur präsentiert, hat aber eine ruhigere Wirkung. Beim vierten Satz, genannt „ein Herbstpoem“, ist eine Stimmungsschwankung zu spüren. Er beginnt in Dur und endet in Moll. Das musikalische und photographische Tempo dieses Satzes ist wieder bewegt. Folglich ergeben sich vier Serien, die das gesamte Werk ‚widerspiegeln’.

Über die Fotografin

Geboren 1979, aufgewachsen in Riga. Hat zuerst Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin studiert, dann Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.  Sie übte Tätigkeiten im Bereich Kultur- und Projektmanagement im Land Brandenburg aus. 2010 gewann sie den Preis für den 3. Platz im Fotowettbewerb vom Bundesministerium des Innern zum Thema “Demokratie und Festkultur – erinnern, feiern, gedenken”. Juroren des Wettbewerbes waren Barbara Klemm und Arno Fischer. Ihre fotografische Ausbildung bekam Lana Tavits beim Photocentrum Gilberto Bosques VHS Friedrichshain-Kreuzberg.

Marlies Matthes

Ori-shashin, Sound der Stadt

Inspiriert von elektronischen Klangstrukturen stellte sich mir die Frage, wie man diese visuell umwandeln kann: 

Wie lassen sich Audio-Strukturen, z.B. Puls, Amplituden, Frequenzen, Kratzer, Mäander, Wiederholungen, Explosionen, Aufwärts- und Abwärtsbewegungen, in eine Bildsprache umsetzen?

Die Stadt bietet dafür eine reiche Kulisse, man kann mit dem Licht, das von den vorhandenen Objekten ausgeht, im wörtlichen Sinne malen, abstrahieren, neue Formen und Strukturen schaffen. Man kann damit spielen, wie Musik mit Tönen spielt.

Formen vervielfachen und entfalten sich wie im Origami und bilden neue, ephemere Strukturen. Die Töne überlagern sich …  die Bilder überlagern sich … 

Über die Fotografin

Marlies Matthes, geboren und wohnend in Berlin, arbeitet als Journalistin/Redakteurin bei einer japanischen Zeitung. Sie fotografiert seit ihrer Jugendzeit sowohl „realistisch” als auch „abstrakt”.

Maike Erben

Undersound

In den 90er Jahren überrollten Berlin große Umbrüche. Die Mauer fiel, und eine 40 Jahre getrennte Stadt begann wieder zusammen zu wachsen. Während in einem Teil Berlins alles weiter lief wie bisher, führte die Übernahme westdeutscher Reglements im Ostteil der Stadt zunächst zu einem vorübergehend rechtsfreien Raum. Es fehlte Orientierung in jeglicher Hinsicht. Dies bot eine Spielfläche für eine neue heranwachsende kulturelle Szene, für die Berlin auch heute noch berühmt ist. Leer stehende Gebäude wurden ungefragt vereinnahmt und in Eigenregie zu legalen oder illegalen Clubs umgebaut, die nur stark provisorischen Charakter hatten und aus heutiger Sicht in keiner Weise öffentlich hätten genehmigt werden können.

Es entwickelten sich damals vielfältige musikalische Ausrichtungen mit ebenso vielfältigen Untergruppierungen. Besonders hervor stach die elektronische Musik, die von minimalistischen oder melodischen  Klängen über mitreißende Bässe oder sehr schnellen und lauten Sounds alles bot. Ob Minimal, Techno, House, Trance, Goa, Hardcore/ Gabba oder Speedcore, jede dieser Musikrichtungen hatte ihre Liebhaber und bildete eine eigene Szene. Die neu gewonnene Freiheit wurde von der Jugend mitunter ausschweifend zelebriert. Die Serie „Undersound“ präsentiert meine fotografische Erinnerungsreise durch diese aufregende Zeit.

Über die Fotografin

Geboren in Schwerin, wuchs sie in der DDR auf und erlebte mit 11 Jahren den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands, verliebte sich bereits in den 90er Jahren verliebte sie sich in die neue Hauptstadt, studierte dort Soziale Arbeit und ist seither im sozialen Bereich tätig.

Ihr Interesse für Fotografie erwuchs vor ca. 10 Jahren zunächst im Selbststudium und später über verschiedene Kurse des Photocentrums  der VHS Friedrichshain-Kreuzberg. Noch immer auf der Suche nach einem fotografischen Schwerpunkt, verspürt sie immer häufiger Freude daran Lebensgefühle in Bildern festzuhalten.

Lutz Schramm

Schwarzes Gold

Mit seinen quadratischen Schallplatten Porträts verneigt sich Lutz Schramm vor den analogen Tonträgern, die uns seit mehr als 130 Jahren begleiten.

Über den Fotografen

Geboren 1959 in Leipzig, lebt seit 1966 in Berlin und Potsdam, gelernter Tontechniker, tätig als Musikredakteur, Radiomoderator, Webproducer, heute Online-Produktionsleiter beim rbb. Seit 2010 setzt er sich konzeptionell mit Fotografie auseinander. Auf der Suche nach seinem subjektiven fotografischen Blick wechselt er zwischen Straßenfotografie, Architektur- und Landschaftsfotografie und abstrakten Abbildungen. Am Photocentrum der VHS Kreuzberg-Friedrichshain entwickelt er in Einzel- und Projektkursen seine handwerklichen und konzeptionellen Fähigkeiten weiter.

schwarzesgold.lutzschramm.de

Gabriele Teutloff und Jürgen Alex

Elbphilharmonie

Kann ein Bauwerk, das geschaffen wurde, um der Musik einen Raum zu geben, im Idealfall selbst zum Klang werden? Welche Beziehung besteht zwischen der Musik und der Materie, die sie zum Klingen bringt?

Die neue Elbphilharmonie gilt als eine der aufregendsten  Konzerthallen mit faszinierender Architektur und außergewöhnlichem Klang. Der Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron und das Akustikdesign des Japaners  Yasuhisa Toyota zeigen, wie das Musik- und Klangerlebnis neben aller Virtuosität der Musiker auch von der Gestaltung des Konzertraumes, bzw. der gesamten Philharmonie beeinflusst wird.

Wir haben versucht, dieser Symbiose von Musik und Materie  fotografisch nachzuspüren.

Über die Fotografen

Gabriele Teutloff: Lehrerin Biologie, Geografie, wiss. Mitarbeiterin (FU), Autorin, Bildvorträge u.a. Urania Berlin. Fotografischer Schwerpunkt Dokumentarfotografie.

Jürgen Alex: Lehrer berufliche Bildung, Wirtschaftsfächer, Informatik, Bildvorträge u.a. in der Urania Berlin. Fotografische Schwerpunkte: Reise-, Natur- und Dokumentarfotografie.

Dagmar Rehberg

Vom Hören – Sehen

Wenn ich in der U-Bahn sitze, betrachte ich manchmal die Fahrgäste, die einen Kopfhörer tragen und frage mich, welche Musik sie wohl gerade hören. Kann man die individuelle Rezeption von Musik im Gesicht des Hörenden überhaupt ablesen? Welche Gefühlsregungen beleben unsere Mimik bei musikalischen Klangerlebnissen unterschiedlichen Charakters? 

Ich habe acht Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts vier Musikstücke aus verschiedenen Genres vorgespielt und alle zwei Sekunden ein Bild gemacht.  

Eine Auswahl davon soll eine Idee vermitteln, wie das jeweilige Musikstück aufgenommen wurde.

Über die Fotografin

Geboren 1964 in Berlin.

Ihr Ziel ist es die Fotografie als eine künstlerische Ausdrucksform zu nutzen, mit der man Wirklichkeiten abbilden oder sogar erschaffen kann. Ihre Ausbildung erfolgte am Photocentrum Kreuzberg-Friedrichshain Fotoklasse, an der VHS Berlin Mitte und bei Imago Fotokunst. Farbkontraste und eine pointierte Bildsprache kennzeichnen Ihre Bilder.
Weitere Arbeiten sind auf Ihrer Webseite www.dagureh.de veröffentlicht. Erreichbar ist die Fotografin unter: dagureh@turtlenet.eu

Brigitte Förster

Ich seh Musik – überall

Eine Eigenschaft von Musik ist, dass sie Klangstrukturen aufbaut, variiert, zerstört und wieder neu aufbaut. Mich reizt es, optische Entsprechungen zu solchen Strukturen zu finden und abzubilden. Inzwischen kann ich eigentlich gar nicht mehr aufhören, sie überall wahrzunehmen.

So sehe ich in geflochtenen Zäunen der rumänischen Dörfer den Kanon eines Barockmeisters (oder höre ich ihn schon?)

Ich finde Akkorde aus Farben oder Formen, in Dur und in Moll. Die Weinstöcke am Horizont fallen in Gleichschritt und marschieren zur Ernte.

Und letztlich ist überall Tanz.

Über die Fotografin

Brigitte Förster ist Berlinerin, immer gewesen und auch geblieben.

Ihren technischen Beruf hat sie zeitlebens geliebt, aber genauso die See, und die verschiedensten (kunst-)handwerklichen Tätigkeiten.

Zur engagierten Fotografin wurde sie erst durch eine – eher zufällig begonnene –  Langzeitdokumentation über das Verschwinden der Berliner Mauer und ihrer letzten Spuren (1989 bis 2015).

Neben der genauen Dokumentation von Zeit und Wandel (sei es die Stadt Berlin, seien es natürliche Vorgänge) war es immer ein Aspekt ihrer Arbeit, anders zu sehen, die Wahrnehmung zu verändern: etwa durch Ausschnitte oder Hervorhebungen in  den Fotografien.

Und vielfach wurden die Fotografien unter ihren Händen zu Collagen oder dreidimensionalen Objekten.

Arnaud Roi

Das Bilderklavier

Ein Klavier, dessen Tasten Bilder, aber auch Töne erzeugen, ein Instrument, das man sehen und hören kann. Ob melodisch oder dissonant, die Musik ist eine Bildassoziation, die Partitur wird zu einer musikalischen Fotoserie.

Notizen und Bilder stehen im Dialog, ergänzen sich, schwingen miteinander und im Ausstellungsraum mit.

Ob Musikliebhaber oder einfach nur neugierig, jeder ist eingeladen, mit dieser interaktiven Installation zu experimentieren. Von tief bis hoch, von dunkel bis hell erscheinen die Bilder, wenn die Tasten des Klaviers gedrückt werden. Der Besucher wird Bild- und Tonkomponist.

Über den Fotografen

Geboren in Paris, lebt und arbeitet seit dreizehn Jahren in Berlin. Berufstätig als Projektleiter für wissenschaftliche Organisationen, Begeisterung für Design und Fotografie. Er hat an mehreren fotografischen Gruppenausstellungen teilgenommen: 2012 in der VHS Friedrichshain-Kreuzberg, 2014 im Künstlerhaus Bethanien, 2016 in der Fotogalerie Friedrichshain, 2018 im Künstlerhaus Bethanien.

Georg Helten

Hot Spot

Die minimalistisch anmutende Musik des Soundtracks für den Film „Hot Spot“ (USA 1990, Regisseur Dennis Hooper) mit Musikern wie u.a. John Lee Hooker und Miles Davis inspirierte mich zu fotografischen Kompositionen, in denen Licht und Schatten eine Rolle spielen.

Die Anordnung der 22 Einzelbilder folgt dem Rhythmus eines urbanen Roadmovies, in dem immer wieder die Zeit stillsteht, um Ausschau auf das Unmittelbare zu halten.

Über den Fotografen

Geboren 1962 in Viersen. Lebt seit 1990 in Berlin. Besuch von Fotokursen an der VHS Neukölln und am Photozentrum Kreuzberg-Friedrichshain. Derzeitiger fotografischer Schwerpunkt ist die Straßenfotografie.